Kloster |
Kloster Weyarn:
Das Kloster Weyarn wurde 1133 als Stift der Augustiner Chorherren unter dem Patronat des Erzbischofs Konrad I (1106-1147) von Salzburg, eines engagierten Förderers der Chorherrenbewegung, gegründet.
Stifter war Graf Siboto II (um 1060 - 1136) aus der Familie Neuburg-Falkenstein, die an der Mangfall, im Inntal, im Chiemgau und in Südtirol begütert war. Die Stiftungsurkunde nennt 24 Chorherren, denen die Burg „wiare“ neben einer Reihe von Bauernhöfen, Mühlen und Weinbergen übereignet wurde. Das Patrozinium lag bei den Apostelfürsten Petrus und Paulus. Grundidee der Chorherrenregel war Seelsorge auf genossenschaftlicher Basis im Rahmen einer Gemeinschaft von Stiftsgeistlichen.Ihre wirtschaftliche Grundlage bildete abgesehen vom Stiftsvermögen die Regel, dass Geistliche ihr kirchliches Einkommen nicht als Privateinkommen anzusehen, sondern als Kirchengut einzubringen hatten.
1236 ging die Propstei Weyarn samt Kirchenschatz und Urkunden in Flammen auf. Danach verfiel das Stift. Erst nach gut 100 Jahren, im Jahr 1343, war die neue Kollegiatskirche fertiggestellt. Da die Reparaturen aus Sparsamkeit die brandgeschädigten Grundmauern aus Tuffstein miteinbezogen hatten, stürzte das Mauerwerk schon 1350 wieder ein.
Mit Propst Heinrich I (gest. 1377) trat ein zweiter Stifter in Erscheinung. 1371 erreichte er bei Papst Gregor XI (1370-78) die Inkorporation der benachbarten Pfarrei Neukirchen mit ihren acht Filialen. Die Stiftskirche wurde am 24. Juni 1374 neu geweiht. Kurze Zeit danach erhielt das Kloster Hofmarksrechte, kam also in den Genuß steuerpflichtiger Untertanen, über die es auch die niedere Gerichtsbarkeit ausübte. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte das Stift ein so hohes Ansehen erreicht, dass die Wahl des Propstes Jakob II Kuipfinger im Jahr 1532 in Gegenwart von Herzog Wilhelm IV (1508-50) stattfand, dem Initiator des Reinheitsgebots für Bier.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts geriet das Chorherrenstift in den Verdacht, der Lehre des ehemaligen Augustinermönchs Luther verfallen zu sein. 1549 riß deshalb die Kette der Pröpste ab. An ihre Stelle traten bis 1565 zwei vom Herzog bestellte Administratoren. Von den Gräueln des 30jährigen Krieges blieb das Kloster weitgehend verschont.
Unter Propst Valentin Steyrer (1626-59) wurde 1627-32 der Unterbau des heute noch stehenden Kirchturms errichtet. 1657 folgte die Einweihung der Kirche. 1653 wurde als Filiale die Wallfahrtskirche Weihenlinden errichtet. Zu den wichtigsten Gründungen von Propst Valentin Steyrer gehörte das 1646 eingerichtete Knabenseminar, an dem Grammatik, Poesie, Rhetorik, Philosophie, Mathematik, Logik und Theologie von bis zu 16 Professoren gelehrt wurde. 1677 wurde es zusammen mit der wertvollen Bibliothek von einem Brand heimgesucht. Die Klostergebäude wurden von Propst Benno Zaech (1671-75) erneuert.
Die Kirche in ihrer heutigen Gestalt ließ sein Nachfolger, Propst Gelasius Harlass (1675 - 97) von 1687-93 neu errichten. Baumeister war der Graubündener Lorenzo Sciasca. Die Einweihung wurde am 9. August 1693 gefeiert. Von Papst Innozenz XII (1691-1700) erhielt Propst Gelasius 1694 den Gebrauch der „Pontifikalien“ (weltliche Seelsorge im Bischofsrang) zugesprochen. Die Pröpste waren damit Bischöfen gleichgestellt. Zugleich verlor das bischöfliche Hochstift Salzburg seine Stellung als Patronatsherr über Weyarn.
Am 8. September 1706 verwüstete ein Feuer sämtliche Gebäude um den Konventhof des Klosters. Auch Dachstuhl und Schindeldach der Stiftskirche wurden ein Raub der Flammen. Propst Praesidius Held (1697 - 1731) beseitigte die Zerstörungen und faßte die Ökonomiegebäude in einem neuen Komplex zusammen. Der Turmoberbau der Stiftskirche wurde ab 1713 neu errichtet. Stukkaturen und Fresken des Innenraums stammen von Johann Baptist Zimmermann, der die Arbeiten 1729 ausführte.
Unter Propst Patricius Zwick (1731-53) erblühte die Weyarner Chormusik. Das Kirchenorchester galt der churfüstlichen Kapelle in München als mindestens ebenbürtig. Propst Augustin Hamel (1753-65), gab die Plastiken von Ignaz Günther im Kircheninneren (u.a. Rokokotabernakel, Muttergottesbild, die „Verkündigung Mariae“ und die Pietà) in Auftrag.
Der letzte Propst vor der Säkularisation, Rupert II Sigl (1765-1803), der an der Universität Ingolstadt Theologie, Mathematik und Naturwissenschaften studiert hatte, tat sich als Förderer der Wissenschaft hervor. In der Mitte des 18. Jahrhunderts bestand die Klosteranlage aus fünf von Osten und Süden erschlossenen Rechteckhöfen. Die Anlage wich vom üblichen Bauschema ab, weil Konvent und Prälatur nördlich der Kirche angeordnet waren.
Am 19. März 1803 begann die Abwicklung der Klosterauflösung nach §§ 35 und 42 des Reichsdeputationshauptschlusses. Im Kloster lebten zu dieser Zeit 36 Chorherren. Laut Endabrechnung vom 9. Januar 1809 erzielte der Liquidator bei den Versteigerungen Einnahmen von 9597 fl (florin = Gulden), denen Ausgaben von 1710 fl gegenüber standen, so dass ein Gewinn für den Staat von 7887 fl blieb.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurde ein Teil der Klostergebäude, u.a. der Prälatenstock, planlos abgerissen, wodurch das Kloster Weyarn in der neueren Zeit zu den am schlechtesten erhaltenen Anlagen in Bayern gehörte. Der verbleibende Rest ging in Privatbesitz über. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden die ehemaligen Konventsgebäude der Stadt München vererbt, die ein Heim für Waisenkinder darin unterhielt. Während des Dritten Reichs nutzte die NSDAP die Gebäude als Ausbildungsstätte für Führer der „Hitler-Jugend“. Gegen Ende des 2. Weltkriegs beherbergte die Anlage ein Lazarett. Nach dem Krieg betrieb das UN-Flüchtlingshilfswerk darin ein Lager für Displaced Persons. 1953 erwarb der Reformpädagoge Max Rill die Gebäude von der Stadt München. Seine Tochter Helene und ihr Mann Siegfried Mehrer betrieben darin bis 1984 eine Privatschule nach den pädagogischen Grundsätzen von Hermann Lietz. 1998 wurden die in der Zwischenzeit privat vermieteten Räume der beiden noch erhaltenen Konventsgebäude neben einigen anderen Gebäuden des ehemaligen Klosters vom Deutschen Orden erworben. Der Orden verlegte daraufhin seinen Sitz von Frankfurt a. M. nach Weyarn. Seit September 1999 hat der Deutsche Orden auch die Pfarrei übernommen, so dass sich mit einigem Recht behaupten läßt, dass die Säkularisation des Weyarner Klosters von 1803 nach fast zwei Jahrhunderten wieder rückgängig gemacht worden ist.
Jan H. Marbach